Interview mit Schauspielschüler Lukas David Maurer
22. Oktober 2017
Wie bist du zum Theater und zur Schauspielerei gekommen?
Ich war ein Teil der Theater AG in unserer Schule. Es waren ca. 40 Mitglieder und wir galten als die „Coolen“, das war wie eine Clique, alles war immer sehr locker, es wurde viel gefeiert und es herrschte gute Stimmung. Ein sehr engagierter Lehrer hat außerdem sein Herzblut reingesteckt. Im Laufe der Zeit war es dann aber nicht nur „cool“, sondern es hat mir einfach wahnsinnig viel Spass gemacht auf der Bühne zu stehen und Rollen auszuprobieren.
Nach der Schule war mir klar, dass ich irgendetwas mit Kunst machen möchte, anfänglich Romanautor. Doch das ist schwierig, dafür kann man keine Ausbildung machen. Mein Vater hatte mich gedrängt, du musst irgendwas lernen, du musst mit etwas anfangen. So kam ich zur Schauspielschule Siegburg.
Du spielst derzeit in dem Stück „Die Mitte der Gesellschaft“. Sind deine Eltern aus der sogenannten Mitte der Gesellschaft?
Sie sind schon eher linksliberales Bürgertum, aber schon mit Haus, Auto & Co.. Obwohl es bei uns zu Hause nie so war, dass verlangt wurde, wir müssten nur 1er schreiben, eine super Ausbildung machen und viel Geld verdienen. Das war nie so wichtig. entscheidend war eher, dass wir unseren Platz finden, dass wir das finden was uns glücklich macht, solange wir damit finanziell abgesichert sind. Mein Vater sagte immer, es gibt eine Zeit im Leben, da bist du froh, wenn du finanziell abgesichert bist. In meiner Familie bin ich der einzige Künstler und damit wohl auch der Paradiesvogel.
Wie siehst du dich selbst in der Gesellschaft als Künstler?
Es war schon immer ein gewisser Drang da, etwas anderes machen zu wollen, vielleicht auch zu rebellieren. Aber am Ende habe ich mich auch gefragt, was will ich aus meinem Leben machen? Wenn ich über mein Leben nachgedacht habe, war es mir nie wichtig ein schickes Haus und Auto zu haben, teuer essen zu gehen. Materielle Dinge spielen für mich keine Rolle und nur dafür zu arbeiten, macht mich nicht glücklich. Schon als Jugendlicher hatte ich soviele Ideen, mir war klar, nur als Künstler könnte ich die auch alle ausleben und sie umsetzen. Diese Vorstellung immer früh aufzustehen, immer nur zu sitzen, viel hören und schreiben – das fand ich in der Schule schon ätzend, daher kam ein Bürojob für mich überhaupt nicht in Frage. Büro ist genauso wie Schule, man freut sich schon auf die nächste Kaffeepause, weil man dann mal mit den Kollegen quatschen kann. Und dann sitzt du wieder vor dem Computer und bekommst Rückenprobleme. Das war für mich alles nicht so reizbar. Ich wollte mehr Freiheit haben und mich ausprobieren. Bei einem geradlinigen Lebensweg hätte ich auch immer Angst, dass ich irgendwann morgens aufwache und denke: „Fuck! Mein Leben gefällt mir überhaupt nicht.“ Ich muss nicht jeden Trend mitmachen und irgendwo ist es mir auch egal, was andere über mich denken. Ich sehe mich aber gar nicht als krassen Rebellen. Viele meiner Freunde und Bekannte sind wie ich, nur im Alltag werden sie dann auf einmal so konform. Wer in der Bank arbeitet, trägt halt jeden Tag einen Anzug, obwohl er zu Hause total ausgeflippte Sachen trägt. Im Alltag spielt er doch quasi nur eine Rolle, vor dem Chef, den Kollegen oder den Kunden. Ich bin jeden Tag einfach nur ich.
Warum sollte man das Stück „Aus der Mitte der Gesellschaft“ sehen?
Es spricht jeden an, weil jeder ein Teil von dieser Mitte ist. Man kann sich und seine Macken wieder finden in dem Stück. Ich finde es außerdem sehr schön, wie mit der Sprache im Stück gespielt wird, wie die Floskeln von Politikern auseinander genommen werden und damit satirisch umgegangen wird. Wir laden damit ein zur Selbstreflexion und manch einer denkt vielleicht auch: „Oh Gott, dass habe ich auch mal gesagt.“ Zum Beispiel, „Man muss die Sorgen der kleinen Leute Ernst nehmen.“ Hier hat man die Chance darüber nachzudenken, was das für ein Schwachsinn ist. Man sagt damit quasi, das sind kleine Leute, das sind nicht unsere Mitmenschen auf Augenhöhe, sondern es gibt kleine und große Leute. Das Stück ist zudem sehr ambivalent, es macht einerseits Spass zu zusehen und auch es zu spielen, aber andererseits ist es auch so furchtbar deprimierend. Manche Texte sind einfach traurig, weil sie so stimmen. „Freiheit ohne Ziel ist ein Gefängnis.“ Bei mir kam dann direkt die Frage auf, was ist eigentlich das Ziel unseres Landes, unserer Gesellschaft? Wo arbeiten wir eigentlich alle hin? Da gibt es keine Antwort zu.
Doch das gibt es schon, Wirtschaftswachstum und Vollbeschäftigung sind unsere Ziele.
Aber was fängt man damit an? Wofür? Wir haben doch alle genug zu essen und Wohlstand. Warum immer noch mehr? Wieso sagt keiner: „Es reicht! Wir brauchen vielleicht sogar weniger.“ Das Stück stellt all diese Fragen, gibt aber auch keine Antworten und Lösungen. Und dann sitzt man da und denkt sich: „Stimmt. Das ist so ein Dilemma. Eigentlich müsste man darüber mal reden. Aber das ist so deprimierend darüber zu reden. Also bleiben wir lieber dabei wie es ist.
Wirtschaftswachstum, was heißt das überhaupt? Das war vielleicht in den 50er mal notwendig, als nach dem Krieg alles wieder aufgebaut werden musste. Es fragt sich ja, obwohl die Wirtschaft wächst, wird der Lebensstandard wirklich besser? Ist man glücklicher? Hat meine Generation bessere Chancen und Perspektiven? Früher war man noch euphorisch bei dem Gedanke die Zukunft zu gestalten. Heute sind wir eher von Ängsten geprägt, was noch alles kommen wird. Die Aussichten sind eher bewölkt, könnte man sagen. Diese Stimmung wird in dem Stück aufgegriffen.
Wo findest du dich im Stück wieder?
Bei dem Monolog von Robert finde ich mich direkt wieder. Eigentlich will ich bio, fair und nachhaltig Kleidung einkaufen. Und dann ertappe ich mich dabei, wie ich im Lidl online shop eine Regenjacke für 7€ bestelle. Die war halt runtergesetzt und so billig, das fühlte sich geil an. Total bekloppt im nachhinein, die muss ja auch einer für dieses Geld genäht haben. Es ist verrückt, ich habe mir seit Jahren keine Kleidung mehr gekauft und habe trotzdem 50 T-Shirts. Ich weiß gar nicht, wo die alle herkommen. Ich weiß auch wo die Avocados herkommen, dass die einmal um den halben Globus geschippert werden, aber ich esse die trotzdem gerne.
Was fällt dir spontan zu den Sätzen aus dem Stück ein. „Sollen die Anderen doch besonders sein."
Viele Leute versuchen besonders zu sein, hervorzustechen, doch gerade dadurch werden sie sich immer ähnlicher. Besonders ist dann nicht mehr der Thailand Globetrotter, sondern der Eifeltourist im Sommer. Das scheinbar Besondere ist gar nichts besonderes mehr. Das ganz einfache ist dann plötzlich was Besonderes.
„Das Land der Langweiler.“
Ich finde dieses typisch deutsch, spießbürgerliche, das hat auch etwas. Ist doch irgendwie charmant, dieses Aufregen über total unsinnige Sachen. Riesenthema, es geht um nichts, alle regen sich auf. Ich glaube das können auch nur Deutsche sich total lang über so Kleinigkeiten aufregen. Das ist ja auch eine Form von Kultur. Wir meckern halt erstmal, aber selber nichts ändern wollen. Das kann man satirisch gut aufs Korn nehmen.
„Eine geschlossene Tür ist besser als eine geöffnete.“
Das tötet Möglichkeiten. Das Unbekannte ist nur so lange begehrenswert, wie es nicht erreichbar ist. Sobald es verfügbar ist, wird es langweilig. Hinter einer geschlossenen Tür kann alles dahinter sein, doch wenn sie geöffnet ist, dann gibt es kein Geheimnis mehr. Wenn ich das Ende des Films weiß, will ich den Film nicht mehr sehen. Ich will das Ungewisse, ich will darüber spekulieren können.
Du beherrschst den rheinischen Slang im Stück perfekt. Wie verbringst du Karneval – feiern oder flüchten?
Ich liebe Karneval. Ich bin am Rosenmontag in Köln zur Welt gekommen. Die ersten Stunden meines Lebens waren Mitten in Köln, die Familie kam kurz vorbei Kind gucken und sind dann wieder feiern gegangen. Ich glaube das macht was mit einem. Ich bin Vollblutkarnevalist.
Braucht die „Mitte der Gesellschaft“ Karneval?
Ja, die braucht das definitiv! Ich finde es gut, wie die Bürger sich ihre Stadt zurückholen, auf der Strasse feiern, alles ist so lebendig, offen, fröhlich. Einfach mal machen was man will. Das Bekloppte ist auf einmal ganz normal. Pure Lebensfreude. Endlich mal aus dem Hamsterrad raustreten.
Hat sich durch die Mitwirkung in dem Stück „Aus der Mitte der Gesellschaft“ etwas bei dir verändert?
Bei der Erarbeitung des Stückes hatten wir als Schauspieler viel Freiraum. Ich konnte mich viel ausprobieren. Es wurde nicht alles vorgegeben vom Regisseur. Dadurch habe ich mich, aber auch den Inhalt des Stückes, nochmal ganz anders und viel intensiver kennengelernt.