Workshop “Physisches Theater“ in Berlin
10. Oktober 2018
Anfang September haben drei SchülerInnen der Schauspielschule Siegburg an einem interkulturellen Schauspielworkshop in Berlin teilgenommen.
Unsere 20-köpfige Gruppe, die ungefähr zur Hälfte aus französischen und zur anderen aus deutschen jungen Menschen bestand, wurde vor Ort von einer Mitarbeiterin der Plateforme und einer Dozentin einer Schauspielschule aus Lyon begleitet, von welcher mehrere SchülerInnen am Workshop teilnahmen. Die Plattform für deutsch-französische Kunst (Plateforme), mit Sitz in Lyon, organisiert Künstlerworkshops für junge KünstlerInnen aus Deutschland, Frankreich und anderen europäischen Ländern und begleitet eine Vielzahl mehrsprachiger künstlerischer Produktionen im Jahr. Vor Ort sorgten sie dafür, dass wir zur richtigen Zeit am richtigen Ort waren, übersetzten die Übungseinheiten detailgetreu ins Deutsche oder Französische und waren unsere kompetenten Ansprechpartnerinnen.
Zusammen wurde gegessen, gespielt und sich ausgetauscht. Jeden Tag stand ein volles, aber sehr spannendes und intensives Programm auf dem Plan, welches größtenteils im Künstlerhaus Bethanien ausgeführt wurde. Vier renommierte Dozenten gaben uns TeilnehmerInnen einen motivierenden Einblick in ihr Fachgebiet, das auf jeweils unterschiedliche Weise im Kontext physisches Theater steht.
Lionel Ménard übernahm den Großteil der Sequenzen, er war Schüler bei Marceau und gab uns einen Einblick in die Arbeit und Etüden von Marceau. In seinem Unterricht wurde sich oft zum Aufwärmen massiert, er gab viele Gruppenaufgaben und arbeitete mit emotionalen Bildern, also eine eher psychologische Herangehensweise. Er betonte, dass die kleinen, klaren (vielleicht für manche eher oberflächlich wirkenden) Bewegungen in der Pantomime nur funktionieren, wenn das Gefühl, das ausgedrückt werden soll, sehr ernst genommen wird.
Einen Einblick in die Biomechanik gab Tony De Maeyer. Der ganz Körper spiele immer mit und jeder Schritt zählt. Die Vorbereitung der Handlung sei das A und O, betonte er, das möchte der Zuschauer sehen. Er gab beeindruckende Beispiele, wie man auf ganz verschiede Weise die Tür öffnen kann oder wie interessant ein Hinsetzen sein kann, solange man den Weg nicht vergisst, bis der Po wirklich sitzt. Klare Vorbereitung – Weg – klarer Endpunkt der Handlung, diese nie zu vergessende Abfolge blieb mir in diesen für mich ersten Unterrichtseinheiten zur Biomechanik vor allem hängen. Und Tony bestand darauf, dass wir uns bewusst sind: “Die Biomechanik ist keine Technik“, sie sei immer zu beachten.
Oliver Pollak brachte uns die Mime Corporel nahe und forderte von uns wahrscheinlich die größte körperliche Bereitschaft und Aufmerksamkeit. In seinen Stunden stand niemand länger als zwei Sekunden still. „ Lapin“/ der Hase, einen Teil einer Übung aus dem Bewegungstheater Decrouxs, in der es um Aufmerksamkeit und den Aufbau des Körpers, hin zu einer Präsenz geht und dies in sehr präziser Reihenfolge von der Hüfte bis hin zum Schelm in den Augen, wiederholte er mit uns bei so gut wieder jeder Stunde. Er scherzte ernst: „Eure neue Religion?“ Unsere Antwort Im Chor: „Lapin“. In der Mime Corporel gehört das Training der Isolation von Hüfte, Büste und Kopf (Triple Design) ebenso zum täglichen Training und brachte unseren Kopf ordentlich zum Schwitzen, als es dann hieß: „Lapin! Und Kopf, Büste, Kopf, Lende….. und dazu alle verschiedenen Ausrichtungen der genannten Körperteile (horizontal, lateral, vertikal). Für die meisten von uns ersteinmal eine totale Überforderung.
Anke Gerber imponierte mit ihrer präzisen und technisch gut übermittelten Pantomimen- und Körpertechnik. Wie zeige ich den Zuschauern, dass ich einen Apfel (der gar nicht wirklich da ist) in der Hand halte und keinen Ball? Wie bewege ich einzelne Körperteile folgerichtig, wenn ich an einem unsichtbaren Seil ziehe und gehe ich diesmal besser mit der Nase oder mit dem Fuß los? Die vielen Feinheiten in ihrer Bewegung und genaue Beschreibung der Bewegungsabläufe, sowie wieder die Einbeziehung des ganzen Körpers, erzielten bei uns einen großen Eindruck und motivierten zum Nachmachen und Üben.
Morgens von 9.30 Uhr bis 11.00 Uhr begannen wir den Tag mit einem Bewegungstraining, das täglich im Künstlerhaus Bethanien von verschiedenen Dozenten angeleitet wird, so wurde die Gruppe am Morgen manchmal noch etwas größer. Kleines Päuschen, dann übernahm ein anderer der vier bis um 13.00 Uhr und um 15.00 Uhr ging es schon weiter bis 18.30 Uhr. Gegessen wurde stets zusammen in einem netten Restaurant, was eine tolle Idee war, um sich auszutauschen auf Französisch oder Deutsch. Viele nutzen die Möglichkeit und erprobten sich konsequent in der anderen Sprache, Anfänger sowie Fortgeschrittene.
An zwei Abenden gab es ein gemeinsames Programm, zum einen ein Videoabend in der Mediathek des Mime Centrums und den Abend darauf besuchten wir das Musiktheater Wolfskinder in der Neuköllner Oper. Die restlichen Abende wurden entweder im Restaurant verquatscht oder einzelne Grüppchen unternahmen noch etwas in der Metropole, ganz oft viel man aber auch nur noch ganz erschöpft von der körperlichen Arbeit am Tag ins weiche Bett.
Am letzten Abend zeigten wir in einer offenen Werkschau kleine Etüden aus den verschiedenen Techniken oder die gleiche Geschichte erarbeitet in den verschieden Techniken oder wiederrum selbst erarbeitete Etüden, in denen sich alles etwas vermischte.
Alles in einem war es für mich ein wirklich überaus inspirierender Workshop und ein gelungener interkultureller Austausch, und so wie ich es mitbekommen habe, ging es auch den anderen beiden SchülerInnen wie mir, sodass wir drei auf jeden Fall beim Aufbauworkshop im nächsten Jahr teilnehmen möchten.
von Marie Illies