Glaube Liebe Hoffnung
General-Anzeiger Bonn vom 27. Mai 2013
Beklemmend aktueller Totentanz bei Horváth-Premiere
"SIEGBURG. Einen intensiven Abend erlebte das Publikum in der Studiobühne bei der Premiere von Ödön von Horváths "Glaube Liebe Hoffnung", dessen Geschichte auf einem wahren Gerichtsfall beruht.
Kampf um die Existenz: Die Figuren in 'Glaube Liebe Hoffnung' versuchen ihr Glück im Arbeitsamt. Foto: Holger Arndt
Regisseurin Sarah Kortmann aus Frankfurt inszenierte den "Totentanz", so das Stück im Untertitel, in einer nüchternen, kalten und bedrückenden Kulisse, bei der die Rückwand, die Decke und der Boden mit einer Plastikplane abgehängt, beziehungsweise bedeckt waren.
Ein gelungenes Bühnenbild, um die sterile und düstere Atmosphäre des Anatomischen Instituts einzufangen, in dem die Protagonistin ihre zukünftige Leiche für wissenschaftliche Experimente anbietet, für die es 150 Mark geben soll. Ein Trugschluss, wie sie erfährt. Elisabeth, so der Name der jungen Frau, kämpft mit allen Mitteln um ihre Existenz. Wegen alter Schulden und eines neuen Vertreterjobs, für den sie einen Wandergewerbeschein kaufen muss, versucht sie, sich Geld zu leihen. Sie braucht Geld, um arbeiten zu können und Arbeit, um Geld verdienen zu können, ist einer selbstherrlichen und oberflächlichen Gesellschaft ausgeliefert.
Als sich ein junger Polizist in Elisabeth verliebt, verschweigt sie ihm den Aufenthalt im Gefängnis, in das sie eine Betrugsanzeige gebracht hat. Doch ihre Vergangenheit kommt ans Licht, der Polizist verlässt sie. Wieder allein, ohne Arbeit und Geld, ohne einen Menschen und ohne Perspektive, findet Elisabeth keinen Sinn mehr in ihrem Leben. Sie geht ins Wasser.
Von ihrem Glauben, von ihrer Liebe und ihrer Hoffnung verlassen, stirbt sie. Das 1936 in Wien uraufgeführte Werk zeigt, dass es mit seiner Beschreibung eines verzweifelten Kampfes des Individuums um seine Existenz, von Arbeitslosigkeit und einer immer breiter werdenden Schere zwischen Arm und Reich nichts von seiner Aktualität verloren hat. Hervorragend von der Regisseurin Sarah Kortmann in Szene gesetzt, wie die Schauspieler in absurden und grotesken, mechanischen Bewegungen die ganze Dekadenz einer faulenden Gesellschaft visualisieren.
Nüchtern dagegen ist das Ende. Elisabeth schreitet ins durch Folie angedeutete Wasser, das Licht geht aus und man hört im völlig dunklen Raum nur ein Platschen. Sekunden herrscht absolute Stille. Dann belohnt das Publikum eine beeindruckende Leistung von Regisseurin und ausnahmslos allen Schauspielern zu Recht mit anhaltendem Applaus.
Von Paul Kieras