Theatermacher auf neuen Wegen
Kölner Stadt-Anzeiger vom 18. Oktober 2014
Studiobühne, Schauspielschule Siegburg und "Tollhaus" feiern Zehnjähriges
SIEGBURG. Einen prall gefüllten Terminkalender präsentiert die Studiobühne Siegburg für die Spielzeit 2014/2015. Allein 58 Veranstaltungen stehen noch bis Januar auf dem Programm - darunter auch drei Premieren: Etwa "Leiche", ein dänischer Thriller in Eigenproduktion der Schauspielschule Siegburg. Oder die brasilianische Psychokomödie "Delikate Verbrechen" und die Boulevardkomödie "Love Jogging".
In der Spielzeit 2013/2014 gab es insgesamt 80 Vorstellungen, die rund 3500 Zuschauer gesehen haben. Die Zahl werde in der neuen Saison sicher übertroffen, sind sich René Böttcher und Maike Mielewski, Leiter der Schauspielschule Siegburg, der Studiobühne und des Theaters Tollhaus', sicher.
Bewährt habe sich der sogenannte "Preis der Verantwortung", so die beiden. Fast zehn Prozent der Besucher hätten freiwillig 50 Prozent mehr für eine Karte bezahlt. Dadurch sei es möglich, ALG II-Beziehern einen kostenlosen Besuch zu ermöglichen. Mit fünf Abenden beteiligt sich die Studiobühne auf eigene Initiative auch an den Siegburger Literaturwochen. Zwar war ursprünglich eine Zusammenarbeit mit der Kreisstadt sowie der Stadtbetriebe Siegburg AÖR angedacht, "die scheinen uns aber vergessen zu haben", erklärt Böttcher.
Der Titel des neuen Spielplans "Zwischen Utopie und Bettvorleger" steht für die Philosophie des vielseitigen Kulturtriebes, der vom ersten Tag an unbeirrt eigene Wege gegangen ist. "Wir können nur etwas bewegen, wenn wir Utopien haben - und sie umsetzen", sagen Böttcher und Mielewski . Vor zehn Jahren übernahmen sie die "Theaterfachschule Wolf Bongort von Roy", der 1987 seine Schule von Bergisch Gladbach nach Siegburg verlegt hatte. 2001 zog es ihn aber nach Leipzig.
Also gründeten Böttcher und Mielewski 2004 die Schauspielschule Siegburg mit der angeschlossenen Studiobühne, die damals fast bedeutungslos im kulturellen Leben der Stadt war. Außerdem riefen sie mit dem Theater Tollhaus ein Angebot für Kinder und Jugendliche ins Leben.
Seitdem geht es steil bergauf. Die Schauspielschule hat die maximale Schülerzahl von 32 erreicht, in Bonn mussten zusätzliche Räume angemietet werden. Für das Schuljahr 2014/2015 gab es 250 Bewerber auf 16 Plätze. Die Zahl der Pädagogen ist von ursprünglich vier auf neun gestiegen. Neu im Team ist Regisseur Bardia Rousta, der in der vergangenen Spielzeit bereits äußerst erfolgreich "Dantons Tod" inszenierte.
Im Theater Tollhaus sind insgesamt 23 Kurse für Kinder von vier bis 19 Jahren mit rund 150 Teilnehmern ausgebucht. Hinzugekommen ist eine Gruppe für Menschen mit Behinderung. Ab sofort spielen die Kursbesucher ihre Stücke, die in den regulären Spielplan aufgenommen wurden, auch auf der Studiobühne. "Wir wollten damit weg vom Eventcharakter hin zu Kontinuität", erklärt Böttcher. Zum letzten Mal geht das Projekt "Jedem Kind eine Bühne" an den Start. Der Aufwand sei zu hoch, berichtet Böttcher.
Obwohl die Studiobühne nach eigenen Angaben nicht von der städtischen Haushaltssperre betroffen ist, machen die beiden sich Gedanken, wie Theater und Kultur auch in Zukunft weitgehend unabhängig bleiben können. Daher startet im Winter die Kampagne "Ewig Leben".Erblasser sollen die Chance erhalten, ihr Haus oder Vermögen der Studiobühne zu vererben. Sie können somit sicher sein, dass ihr Nachlass "über den Tod hinaus sinnbringend eingesetzt wird", erklärt Böttcher, der noch eine andere Vision hat: Da nicht nur die eigene Institution "aus allen Nähten platzt, sondern viele weitere Künstler und Kreative Raum brauchen", träumt er von einem "Haus der Kunst" für Begegnungen, Ausstellungen, Arbeit, Kurse und Theater: "Es soll ein lebendiger Ort der Fantasie, der neuen Ideen und der Utopie-Produktion werden."
Von Paul Kieras