Die schwierigste Phase ist vorbei
Rhein-Sieg Anzeiger vom 30. Januar 2015
René Böttcher, Leiter der Siegburger Studiobühne, hat die ersten zehn Jahre gemeistert und glaubt an sein Projekt. Im Interview spricht er über den Förderverein, seine wichtigste Inszenierung und seine Wünsche für sein zehnjähriges Jubiläum.
Sie waren erst 24, Ihre Kollegin 21 Jahre alt, als Sie die Theaterleitung übernahmen. War das ein Sprung ins kalte Wasser?
Es war ein totales Wagnis. Wir hatten überhaupt kein Geld, brauchten aber 20 000 Euro für den Kauf des Inventars. Ganz unerwartet hat sich eine Mäzenin gefunden, die ich bis heute nicht kenne. Eine Woche vor dem Notartermin war das Geld da. Seitdem weiß ich: Wenn das Vertrauen in das eigene Projekt da ist, öffnen sich Türen. Für die Arbeit am Theater ist entscheidend, dass Enthusiasmus und Leidensfähigkeit größer sind als das Bedürfnis nach Sicherheit.
Steht die Studiobühne jetzt auf einer soliden Basis?
Wir müssen nicht mehr selbst putzen und können das Licht weitgehend einrichten lassen. Die Phase ist vorbei, in der wir uns von Monat zu Monat durchgehangelt und gezittert haben. Die teuren Gaffa-Tapes zum Beispiel haben wir manchmal wieder auf die Rolle geklebt und mehrmals verwendet. Die Zeiten, in denen wir stolz waren, mehr als zehn Zuschauer zu begrüßen, sind ebenso vorbei wie bedrohlich geringe Bewerberzahlen für die Schauspielschule und mangelhaft gefüllte Tollhaus-Gruppen.
Was kann der Förderverein leisten?
Der Förderverein hat bislang leider nur 35 Mitglieder. Er kann im Jahr 1000 Euro zuschießen; bei Ausgaben von 25 000 Euro ist das ein Tropfen auf den heißen Stein, auch wenn viel Hilfe in puncto Management von den Mitgliedern kommt. Mein Ziel ist es, den Verein so auszubauen, dass er 20 bis 30 Prozent der Kosten decken kann.
Welche Rolle spielt die Studiobühne in der Öffentlichkeit?
Wir sind ja das einzige feste freie Theater im Rhein-Sieg-Kreis. Aber es gibt in Siegburg in der Humperdinck-Straße immer noch Menschen, die nichts von unserer Existenz wissen. Für Werbung hatten wir am Anfang einfach kein Geld. Inzwischen haben wir aber in einen neuen Internet-Auftritt investiert und hoffen, dadurch noch mehr Menschen zu erreichen. In Sachen Außenwirkung ist außerdem die Cafeteria, die wir im vergangenen Jahr eingerichtet haben, ebenfalls eine wichtige Neuerung.
Gibt es eine Inszenierung, die in den letzten zehn Jahren besonders wichtig für Sie war?
„Elektra“ von Hugo von Hofmannsthal, das war für mich die schönste und berührendste Inszenierung. Sie hatte allerdings kaum Zuschauer.
Welches Stück würden Sie nie wieder auf den Spielplan nehmen?
„Misery“ von Stephen King. Ich dachte, es sei leichte Kost, mit der sich Geld verdienen lässt. Aber wir standen künstlerisch nicht dahinter, und so etwas funktioniert dann nicht.
Welches Konzept hat die Studiobühne?
Im besten Brechtschen Sinne soll unser Theater unterhalten und dabei die Menschen motivieren, ihr Leben und die Gesellschaft zu verändern. Dazu gehören in dieser Saison Stücke wie „Kunst“ von Yasmina Reza ebenso wie die Sophokles-Tragödie „Antigone“ oder auch die Komödie „Love Jogging“. Sie treten auch als Solist „Allein in der Sauna“ auf.
Ich bin am liebsten Theaterleiter, Regisseur, Organisator und Ideengeber. Es ist viel von der Selbst-Ausbeutung der freien Theaterszene die Rede.
Wie viel verdient ein Schauspieler in der Studiobühne pro Aufführung?
Etwa 100 Euro brutto. Ich sage immer, man kann nicht vom Theater leben, aber dafür.
Haben Sie Wünsche zum zehnjährigen Jubiläum?
Das Theater platzt aus allen Nähten. Wir bestreiten etwa 100 Vorstellungen im Jahr, im Theater Tollhaus machen 150 Kinder und Jugendliche mit. Unser Angebot ist wie eine Jonglage, aber inzwischen ist es eine mit zu vielen Bällen. Ein Haus der Kunst muss her, in dem Theaterleute, Musiker und bildende Künstler interdisziplinär arbeiten. Dafür haben wir noch keinen Plan, aber wir sind sicher, dass es kommen wir.