Eine kleine Bühne und ein großer Traum
General-Anzeiger Bonn vom 06. August 2016
06.08.2016 Siegburg. Von Siegburg hatte Sophie Botschek vorher nie gehört. Im August 2015 kam sie in die Stadt, um sich an der Siegburger Schauspielschule ausbilden zu lassen.
Die kleine Bühne füllt sich immer mehr mit Schaum. Er quilt aus einem Rohr an der Decke. Sophie und ihre Mitschüler stehen mitten drin, in bunten Kleidern und mit schrillem Make-up. Es erinnert an eine verrückte Modenschau, ist aber tatsächlich etwas anderes: Gesellschaftskritik. Es sind die letzten Proben für das Theaterstück „Das große Massakerspiel“ an der Studiobühne in Siegburg.
Solche Szenen sind Alltag in Sophie Botscheks Leben. Sie ist Schauspielschülerin und lernt seit August 2015 an der Siegburger Schule, die im VHS-Haus an der Humperdinckstraße untergebracht ist. Dafür zog die 20-Jährige von ihrer hessischen Heimatstadt Neu-Anspach bei Frankfurt in den Rhein-Sieg-Kreis.
Von Siegburg hatte sie zuvor nie gehört. „Es war tatsächlich so, dass ich Schauspielschulen gegoogelt habe und Siegburg dann ganz oben auftauchte“, erinnert sich Sophie mit einem Schmunzeln. Wie alle in ihrem Alter stand sie nach dem Abitur vor der Frage: Was tun? „Ich wusste schon immer, dass ich was machen will, das mir Spaß macht.“
Und dazu zählte vor allem schon ganz früh das Singen: „Meine Eltern haben mich in einen Kirchenchor gesteckt. Da haben wir kleine Musicals aufgeführt und das hat mir sehr viel Spaß gemacht.“ Auch in der Schule kam sie weiter mit der Schauspielerei in Berührung. „Seit der achten Klasse habe ich die Traumvorstellung, auf der Bühne zu stehen.“
Und diesen Traum hat sich die 20-Jährige mit der Aufnahme an der Siegburger Schauspielschule inzwischen erfüllt. Zwar unterstützen sie ihre Eltern dabei, etwas zu machen, was ihr Spaß macht, trotzdem hatten sie ihre Bedenken, weswegen sich Sophie zunächst für Theaterwissenschaften an verschiedenen Universitäten beworben hatte. Die Zusagen kamen aber so spät, dass sie es auch noch bei Schauspielschulen versuchte. Sie wurde eingeladen und musste bei einem Bewerbungstag mit Monologen und kleinen Szenen überzeugen.
Zwei Wochen, bevor die Kurse in der Schule beginnen sollten, kam dann die Zusage aus Siegburg. Sophie ist froh, sich gegen das Studium und für eine Schauspielausbildung entschieden zu haben: „Ich fühle mich hier sehr wohl. Es ist sehr angenehm, denn die Schule ist mit insgesamt 30 Schülern sehr klein.“ An den meisten Schultagen stehen sechs Kurse auf dem Stundenplan – von 10 Uhr bis 15.15 Uhr. Im Bereich Bewegung lernen die Schauspielschüler etwa, den Raum mit ihrem Körper zu nutzen, mit den Körperachsen umzugehen und durch Yoga-, Pilates- und Ballettübungen ihren Körper zu kontrollieren.
Der zweite Bereich ist die Sprache. Dabei geht es vor allem ums „richtige Sprechen“. Die Schüler bekommen Zungenbewegungen beigebracht, die dabei wichtig sind. Der dritte Bereich ist der Gesang. Dazu zählen Chorgesang und Einzelmusikunterricht, bei dem an den individuellen Schwächen gearbeitet werden kann.
Der vierte und vermeintlich wichtigsten Part an einer Theaterschauspielschule ist die Schauspielerei. In vielen kleinen Übungen lernen die Schauspielschüler, wie sie eine Handlung entstehen lassen oder Monologe richtig präsentieren.
„Bei der Theorie wird viel Selbstdisziplin verlangt“, erklärt Sophie. „Wir bekommen am Anfang des Semesters eine Leseliste und die müssen wir dann für uns abarbeiten.“ Dazu zählen klassische Theaterlektüren, aber auch moderne Stücke wie das „Große Massakerspiel“ des französischen Dramatikers Eugène Ionesco, eines Vertreters des absurden Theaters.
In Gruppen müssen Sophie und ihre Mitschüler Stücke wie dieses in sogenannten „Semesterarbeiten“ komplett selber erarbeiten: Von den Inhalten und der Inszenierung, über Finanzen bis hin zur Öffentlichkeitsarbeit in Form von Trailern, Flyern und Plakaten.
Nach der Schule jobbt Sophie meist mehrmals die Woche bei einem Imbiss, denn das Geld für die Ausbildung muss irgendwie hereinkommen. Derzeit hat Sophie – so wie die meisten Schüler – Ferien. Sechs Wochen Faulenzen ist aber trotzdem nicht angesagt.
„Wir müssen uns körperlich und technisch fit halten“, erklärt die 20-Jährige. Mindestens 45 Minuten am Tag investiert sie auch an Ferientagen in Sprache und Körper, etwa durch Meditieren. Noch drei Jahre hat Sophie Zeit, bis sie sich auf dem hart umkämpften Markt behaupten muss.
„Ich mache mir da im Moment noch nicht so die Gedanken und den Druck“, erklärt Sophie. Vorerst freut sie sich über viele Besucher an der Studiobühne Siegburg – und genießt ihren etwas anderen Alltag.
Von Franziska Jünger