Eine bitterböse, wütende und gleichzeitig witzige Abrechnung mit einer ausbeuterischen Arbeiterwelt
General-Anzeiger Bonn vom 04. Juni 2018
Warteraum Zukunft“ auf der Siegburger Studiobühne
SIEGBURG. Eine bitterböse, wütende und gleichzeitig witzige Abrechnung mit einer ausbeuterischen Arbeiterwelt: Die Siegburger Studiobühne feiert Premiere mit Oliver Klucks Stück „Warteraum Zukunft“.
Da wird angemacht, geflucht, beleidigt und beschimpft: Aus Frust, aus Überdruss und aus Verzweiflung, zerrieben zwischen den Mühlsteinen des Arbeitsalltags. Am Samstag feierte die Studiobühne Premiere mit Oliver Klucks Stück „Warteraum Zukunft“, eine bitterböse, wütende und gleichzeitig witzige Abrechnung mit einem die Menschen vereinnahmenden System, aber auch Anklage ihrer stillen Duldung und gleichzeitigen Unterwürfigkeit.
Darum geht's: Daniel Putkammer (30) ist Ingenieur in einer mittelständischen Firma, sein Leben ein Warteraum, aus dem die Zukunft durch die immer gleiche bedeutungsleere Gegenwart des Alltags vertrieben wird. Er gehört zu den Leistungsträgern und Mehrwertproduzenten der Gesellschaft und ist einer von denen, auf deren Schultern das Glück der Exportnation Deutschland ruht.
"Kathedrale der Arbeit"
Das schicke Firmengebäude, die „Kathedrale der Arbeit“, die leere Junggesellenwohnung und der allmorgendliche Berufsverkehr sind die äußeren Stationen einer zutiefst entfremdeten und zugleich in schmerzhafter Klarheit geführten Existenz, die vom Arbeitsleben bestimmt ist, weder Freundschaft noch Mitgefühl kennt und in der Boshaftigkeit, Erniedrigung, Missgunst und scheinheilige Freundlichkeit an der Tagesordnung sind. „Arbeit ist total schädlich, Arbeit ist ultraschädlich, Arbeit ist die totale Beschädigung, der Megaschaden, wenn ich das mal so sagen darf. Hoffentlich ist bald Feierabend“, platzt es da aus Daniels Kollegen Frank heraus.
Das war es dann aber auch schon wieder mit der Auflehnung. Auch Daniel, abgestumpft und über die Jahre zum Zyniker geworden, redet sich immer wieder in Rage und wütet: „Freundlich sein, grüßen, lächeln, nachfragen, zuhören, ihnen mit Eisenstangen auf die Fingergelenke schlagen, ihnen von hinten in den Nacken boxen, in die Knie treten.“
Aber er muss kuschen, denn schließlich wartet er auf den großen Karrieresprung, auf die Belohnung für jahrelange Ausbildung und Einsatz bis zur Selbstaufgabe. „Man muss sich gerade machen, ich, ich muss mich gerade machen, die Früchte des Studierens müssen geerntet werden, die Saat wird eingebracht.“
Neurotiker im Büroalltag
Es wird aber nichts mit der Beförderung, sondern er wird nach Rumänien versetzt, was sein Chef noch mit der zynischen Bemerkung „begreifen Sie es als Chance“ verschlimmert. Daniel ist völlig desillusioniert, auf dem Heimweg kommt es zur Katastrophe. Betrunken fährt er einen Radfahrer tot, lässt ihn liegen und geht am nächsten Morgen wie gewohnt arbeiten. Er habe das erste Mal seit Monaten wieder ruhig geschlafen, sagt er. Sophie Botschek, Sylvia Nele Büschgens, Ida-Friederike Hammen, Koray Tuna, Kerstin Stella Withenius und Johannes Zajdowicz können allesamt in ihren Rollen als Neurotiker im Büroalltag überzeugen, der sich in Klucks Theaterstück zwischen Kaffeeautomat und Kopierer, Zigarettenpause und Gang in die Kantine abspielt.
Regisseur Tobias M. Walter ist es trotz einer großen Portion Witz, Humor und schräger Einlagen gelungen, das Stück nie in Klamauk abrutschen zu lassen, sondern das Thema der ausbeuterischen Arbeitswelt mit der nötigen Ernsthaftigkeit im Sinne des Autors zu behandeln.
von Paul Kieras