Schauspielschüler David Lenz beeindruckt mit fesselnder Körperlichkeit
29. März 2022 - Kölner Stadt-Anzeiger
Endlosschleife von Fragen und Antworten
Unter "Mindfuck" versteht die Autorin Petra Bock "Gedanken und Gefühle, mit denen wir uns täglich selbst sabotieren". Demnach betreiben die fünf Personen im gleichnamigen Theaterstück, das nun Premiere in der Studiobühne hatte, die Selbst-, aber auch Fremdsabotage exzessiv. Dabei läge doch die Lösung so nah, nämlich in der Auftaktfrage im Stück: "Wann hast du zum letzten Mal etwas zum ersten Mal gemacht?" So aber dreht sich das Verzweiflungskarussell weiter, denn niemand besinnt sich darauf, dass "97 Prozent der Gedanken die des Vortags sind", wie ein Protagonist herausfindet.
Der Psychotherapeut Sebastian Mönch hat das Stück in Kooperation mit dem Schauspieler-Team der Studiobühne und Co-Regisseurin Maike Mielewski entwickelt. "Es geht um die Persönlichkeitsentwicklung", sagt der Siegburger, der auch Regie führt. "Mindfuck" lässt das Publikum im Unklaren über Herkunft und Zukunft der namenlosen Protagonisten. Auch darüber, ob vier Personen des Quintetts möglicherweise gar keine Individuen sind, sondern die Alter Egos des Hauptdarstellers. Mit fesselnder Körperlichkeit wird er von David Lenz gespielt.
In einer Endlosschleife von Fragen und und Antworten werden viele Teile des Lebens abgeklopft, in denen man an sich zweifelt oder sich frustriert dem Zustand hingibt, "vollgefressen zu sein, ohne jemals satt zu werden", wie es der Held formuliert. Schafft doch die Konsumgesellschaft jeden Tag neue Bedürfnisse für die "gekauften Marionetten im goldenen Käfig". "Das einzige, was wir haben, sind Momente", wie es die fatalistische Frau (Sakira Haurdic) formuliert.
Das Thema Glaube ist dramatisch akzentuiert. "Gott ist außerhalb von dir und mir, clever eingefädelt", klagt ein Mann (Jan Blattl); "Der liebende Gott, der kleine Sünden sofort bestraft - das ist absurd."
Breiten Raum in diesem Stück nimmt die Sexualität ein. Entweder als Orgie vulgär und erschreckend gefühllos oder als Kontrast im emotionalen, Mitleid erweckenden Monolog. Da ist die junge Frau (mit lyrischer Wucht: Sarah Forbat), von der Erfahrung traumatisiert, dass das Geschlechtsleben viel zu schnell über sie gekommen ist: "Von heute auf morgen bin ich nicht mehr die kleine, süße Prinzessin." Sie kompensiert diesen Tiefschlag in einem Exzess. Die Kompensation wird generell zur Lösung. Selbst der Coole (Jonas Lunisch), dem zunächst Netflix zum Ausleben seiner Fantasien genügt, läutert sich final auf spektakuläre Art.
"Mindfuck" lässt das Publikum ohne richtigen Schluss zurück. Mönch: "Das offene Ende ist eine Einladung zum eigenen Weiterdenken. Es soll ermuntern, Eingefahrenes zu brechen um Neues zu schöpfen."
von Peter Lorber