Der Disney Killer / Philip Ridley (Haley/Frau)
Monolog für Frauen
Haley: Und ich hab dir erzählt, was passiert war. Wie eine Hundemeute auftauchte, als ich am Straßenende ankam. Sieben Stück. Große, dreckige Hunde. Den Pelz voller Maden. Schaum um die Schnauzen. Augen wie Blutgerinnsel. Einer von den Hunden hat an mir gerochen. Seine Nase war wie ein Eiswürfel zwischen meinen Beinen. Dann hat er angefangen zu knurren. Die Lefzen über die gelben Zähne zurückgezogen. Er ist auf mich los. Ich bin gerannt. Gerannt und hab geschrieen. Die anderen Hunde sind mir auch nachgejagt. Alle haben sie geheult und gejault wie Wölfe. Sie haben mich auf den Schuttplatz gejagt. Ich bin hingefallen. Da war eine tote Katze. Mit der Hand bin ich in ihrem Bauch gelandet. Ganz matschig, wie verfaultes Obst. Ich hab geschrieen. So laut geschrieen, dass sich mein Hals ganz blutig anfühlte. Einer von den Hunden hat sich in meinem Mantel verbissen. Ich hab ihn weggestoßen. Der Mantel ist zerrissen. Ich bin immer weiter gerannt. Ich hab nur das Gejaule und Geheule und das Klopfen von meinem eigenen Herzen gehört. Ich bin vom Schuttplatz weggerannt. Durch den alten Parkplatz und in die verfallene Kirche. Und die Hunde haben mich immer noch verfolgt.
Da stand ich vor dem Altar, mit sieben tollwütigen Tieren, die durch den Mittelgang auf mich zukamen. Ich hab ein paar alte Bibeln genommen und nach ihnen geworfen. Hat nichts genützt. Die Hunde haben die Bibeln zerfetzt. Ich hatte solche Angst. Und die Hunde rochen das. Meine Furcht. Sie wurden davon angezogen. Sie kamen immer näher und näher. Ich konnte ihren Atem auf meiner Haut spüren. Heiß und nach Kotze stinkend. Ich wich zurück. Stolperte ein paar Stufen hoch. Ich wollte beten. Aber ich konnte nicht. Ich wusste, wenn ich beten oder ein Kirchenlied singen könnte, dann würden sie mich in Ruhe lassen. Aber ich konnte nur schreien. Dann fiel mich einer der Hunde an. Ich sprang hoch. Griff hoch. Hielt mich an etwas fest. Es war glatt. Kalt. Hart. Ich begann zu klettern. Wie man auf einen Baum klettert. Und ich war schon halb oben, als ich bemerkte, dass ich auf das Marmorkreuz geklettert war und mich mit meiner Brust fest an die Brust von Christus drückte. Ich fühlte mich so getröstet und in Sicherheit. Dann schnappte ein Hund nach meinem Fuß. Riss mir den Schuh herunter. Meine Zehen bluteten. Ein Blutstropfen landete im aufgerissenen Maul von einem der Hunde. Der drehte durch. Fing an, aufs Kreuz zu klettern. Ich kletterte höher, umklammerte mit meinen Beinen die Brust des Erlösers, hing mit aller Kraft an der Dornenkrone. Da fing der Sockel vom Kreuz zu bröckeln an. Es fing an zu schwanken.
Jeden Moment konnte es umstürzen und mich der Hundemeute ausliefern. Wie einen Christen den hungrigen Löwen. Ich hatte solche Angst. Da hab ich die Lippen von Christus geküsst. Ich hab gesagt: »Rette mich. Lass das Kreuz nicht umstürzen.« Aber im selben Moment fiel das Kreuz um. Ich stürzte auf den Boden. Die Hunde knabberten an meinen blutigen Fingern. Ich dachte, die fressen mich bei lebendigem Leib auf. Von wilden Hunden aufgefressen. Ich schrie: »Hilfe! Hilfe!« Und dann... Schüsse! Bei jedem zuckte ich zusammen. Ich sehe mich um. Die sieben Hunde sind tot. Blut sickert aus Löchern in ihren Schädeln. Mir wird schlecht. Ein Priester kommt auf mich zu. Er hat ein Gewehr in der Hand. Er fragt mich, ob ich in Ordnung sei. Ich sage: »Ja.« Er sagt: »Kommst du wegen der Beichte?« Und ich sage: »Ja.« Weil ich glaube, das will er hören, und ich stehe in seiner Schuld, weil er mir das Leben gerettet hat. Also gehe ich mit ihm in den Beichtstuhl, und er fragt mich, was ich Unrechtes getan hätte. Ich sage ihm, mir fiele nichts ein. Da sagt er: »Sei nicht dumm. Niemand ist vollkommen.« Ich weiß, er hat recht. Ich weiß, dass ich was getan habe. Dass ich mal ein ungezogenes Mädchen war. Aber ich weiß nicht mehr, was es war. Ich sage ihm, mir fiele nichts ein. Er sagt, ich solle schärfer nachdenken. Ich fühle, dass er ärgerlich wird und enttäuscht. Er will mir die Absolution erteilen, aber ich gebe ihm keine Chance dazu.
Schließlich sage ich: »Ich habe die Lippen von Christus geküsst, und sie haben nach Schokolade geschmeckt.« Er nennt mich eine Sünderin, und ich solle bereuen. Ich frage ihn, ob er mir die Absolution erteilen könne, und er sagt: »Nein! Deine Sünden sind zu groß.« Ich weine, als ich die Kirche verlasse. Ich schwöre mir, nie wieder einkaufen zugehen.